Über die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse


Auf die Frage: „Was bist du von Beruf“ hat Yasmin früher immer geantwortet „Ich bin Laborantin.“ Inzwischen weiß sie: In Deutschland heißt ihr Beruf „medizinische Laborassistentin“, und natürlich möchte sie den hier in Leipzig auch ausüben. In ihrer Heimatstadt Daraa studierte sie zwei Jahre, denn wie in vielen Ländern werden medizinische Fachberufe in Syrien an der Universität gelehrt. Ihr Zertifikat hat sie hier in Leipzig und kann es übersetzt und beglaubigt vorweisen, was bei weitem nicht allen Geflüchteten möglich ist.

Damit ist Yasmin ein Fall für „Anerkennung in Deutschland“. So heißt das Online-Portal, in dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung Migranten darüber informiert, wie sie in ihren erlernten Berufen arbeiten dürfen.

„Sie möchten in Ihrem Beruf in Deutschland arbeiten? Lassen Sie Ihren Beruf anerkennen!“, ist dort zu lesen. Das motiviert, sich durch das Labyrinth der Website führen zu lassen, denn für jeden Beruf entscheidet je nach Land und Wohnort eine andere, sogenannte „zuständige Stelle“. Für Ärzt*innen ist dies zum Beispiel die Landesdirektion Sachsen in Dresden, für Tischler*innen die Leipziger Handwerkskammer, für eine Architektin die Architektenkammer Sachsen.

Warum viele Migrant*innen ihren Beruf neu lernen müssen

Nach 6 Klicks erfährt Yasmin, dass ihr Beruf „reglementiert“ ist, sie also eine offizielle Anerkennung benötigt. Dies betrifft die meisten Berufe, nur, wer einen freien Beruf wie zum Beispiel Journalist*in oder Buchhalter*in hat, darf sich einfach bewerben.

Weitere sechs Klicks später wird ihr der Kontakt zu vier Beratungsstellen eingeblendet. Nur zwei Klicks weiter hat sie Adresse und Telefonnummer ihrer Ansprechpartnerin Marion Zimmer beim Kommunalen Sozialverband Sachsen. Der KSV ist die zuständige Stelle für diverse medizinische, Pflege- oder therapeutische Berufe wie Hebammen, Altenpfleger*innen oder Ergotherapeut*innen.

Fachdienstleiter Christian Hager erklärt, wie die Anerkennung funktioniert. Ziel sei, die Gleichwertigkeit der Qualifikation zu erlangen. Eine automatische Gleichwertigkeit gebe es nur bei einigen vergleichbaren Ausbildung innerhalb der EU. Die Mitarbeiter beim KSV checken also die Inhalte der Ausbildung im Herkunftsland und vergleichen mit den Lehrplänen des Bundes oder der Länder. Werden Defizite festgestellt, müssen Migranten egal welchen Alters wieder auf die Schulbank.

Dabei gibt es zwei Wege: eine Kenntnisprüfung oder die Anpassungsqualifikation. Die Kenntnisprüfung ist eine staatliche Prüfung, bei der sämtliche Inhalte der deutschen Ausbildung abgefragt werden.

Die Anpassungsqualifikation ist sozusagen der Weg dahin. Inhalte, die in Deutschland erwartet, in Syrien aber nicht gelehrt wurden, müsste Yasmin darin nachholen. Sie schickt Ihren Antrag auf Anerkennung also an den KSV und erhält am 21. April 2016 ihren Bescheid. Ihr Antrag auf Gleichwertigkeit wird abgelehnt, den Nachweis des gleichwertigen Kenntnisstandes soll sie über einen 18-monatigen Anpassungslehrgang mit Prüfung erbringen.

Drei Jahre Ausbildung – warum?

18 Monate, sagt die zuständige Stelle. Warum muss Yasmin dennoch die gesamte dreijährige Ausbildung nachholen? Wo ist da was schiefgegangen???

So richtig weiß darauf niemand eine Antwort. Der KSV Sachsen sei nicht zuständig für die Organisation der Maßnahme, erklärt Christian Hager. Verschiedene Bildungsträger böten Anpassungsqualifikationen an, darum müssten sich die Menschen dann selbst kümmern.

Yasmin erzählt, dass sie sich mit ihrem Bescheid bei der Medizinischen Berufsfachschule der Uni Leipzig beworben habe. Doch es gab eine Absage.

Tatsächlich liegt das Problem wohl in der Durchführbarkeit der verordneten Maßnahme. Die Möglichkeiten für Laborant*innen seien in Sachsen nicht sehr breit gestreut, erklärt uns Marion Zimmer, zuständige Mitarbeiterin beim KSV. Ein Labor zu finden, das Praktikant*innen betreue und noch dazu genau in den fehlenden Inhalten schule, gestalte sich schwierig.

Wohl daher machte das Jobcenter Yasmin das Angebot, nach Köln zu ziehen und dort die Qualifikation zu erwerben. Doch ohne ihre damals zehnjährige Tochter 13-jährige Tochter Leyla war das keine Option.

Inzwischen hat Yasmin ihre Zwischenprüfung gemacht und kann Bergfest feiern. Die Hälfte der Ausbildung ist geschafft.


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Über Daraa und den Beginn der syrischen Revolution