Zugang zu Beratungsangeboten für zugewanderte Menschen in Leipzig


Du sucht Hilfe bei der Steuererklärung? Du brauchst Unterstützung beim Ausfüllen eines Antrags? Du wünschst dir eine Begleitung zu einem Amt und brauchst Übersetzung? Du möchtest mit anderen deine Freizeit gestalten? Du möchtest ein Unternehmen gründen? Du kannst die Klassenfahrt deiner Kinder nicht bezahlen? Du möchtest Hilfe bei einer Bewerbung? Für all diese Fragen hat Leipzig Antworten.

Es gibt vielfältige Unterstützungsangebote für Menschen mit ganz unterschiedlichen Fragen und Bedarfen. Einen guten Überblick gibt die Internetseite afeefa.de. Sie stellt einen digitalen Stadtplan zur Verfügung, in welchem Initiativen, Vereine, Beratungsorte und Andere ihre Angebote öffentlich machen können. Zur Zeit sind das über 180 Akteure in Leipzig. Die Seite bietet Informationen in 5 Sprachen an und umfasst die Bereiche Wohnen, Gesundheit, Freizeit, Arbeit, Sprachenlernen, Religion und Ehrenamt.

Die Stadt Leipzig unterstützt viele dieser Initiativen und versucht durch themenspezifische Arbeitsgruppen und Messen viel Vernetzungsarbeit zu leisten, damit Hilfen und Beratungsangebote auch bei den Menschen ankommen, die sie brauchen. Einige dieser Angebote beschreibt Jakob Lanman Niese vom Referat für Migration und Integration der Stadt Leipzig:

„Es gibt ein ganz gut ausgebautes Netzwerkes, ganz vielfältige Angebote für neu zugewanderte Menschen in Leipzig. Wenn wir jetzt zum Beispiel mal schauen auf den Bereich Ausbildung, Arbeit, Studium. Dazu haben wir von unserem Referat für Migration und Integration eine Übersicht erstellt. Und allein diese Übersicht umfasst 16 Seiten aktuell. Beispielsweise wenn ich aus dem Ausland komme und dort einen Abschluss gemacht habe, wie ich den hier kennen Leipzig anerkennen lassen kann oder wenn ich Unterstützung suche auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit. Wenn ich mich für eine Ausbildung im Handwerk interessiere und da Praxis Angebote suche für ganz viele Richtungen, gibt es allgemeine und es gibt aber auch genauso sehr spezialisierte Angebote.“

Zugewanderte Menschen haben oft wenig Wissen über diese Angebote, obwohl die alltäglichen Herausforderungen oft komplex und schwierig sind. Zudem unterstützen bürokratische Strukturen und Zwänge, die durch z.B Aufenthaltsstatus und Leistungsbezug entstehen, den Eindruck eines unüberschaubaren Dschungels, trotz der vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten.

„Warum gibt es da eine Diskrepanz? Warum können bestimmte Angebote Menschen nicht erreichen? Warum fallen viele Menschen aus dem Raster raus?“

fragt Jakob Lanman Niese und nennt mehrere Gründe:

„Das erste, das sind die Zugänge, also abhängig von den Bleiberechtschancen, die eingeräumt wird, vom Aufenthaltstitel, dem Aufenthaltsstatus werden Zugänge zu bestimmten Projekten und Programmen gewährt oder eben auch nicht gewährt. Das heißt, dass Menschen, die eigentlich gerne hier in Leipzig bestimmte Angebote in Anspruch nehmen können, diese teilweise nicht in Anspruch nehmen können, eben aufgrund ihrer aufenthaltsrechtlichen Situation. Der zweite Punkt ist, dass obwohl wir natürlich viele Unterstützung und Begleitung Angebote haben, trotzdem der Weg zum Beispiel in einer Ausbildung, in einer Arbeit immer noch mit enormen Hürden verbunden ist. Also auf der einen Seite die ganzen aufenthaltsrechtlichen Fragen, die behördlichen Fragen. Man muss gleichzeitig parallel die Sprache lernen, sich fachlich weiterbilden. Und der dritte Punkt ist an, dass die Informationen über Angebote nicht die Menschen erreichen, die eigentlich den Bedarf haben, die eigentlich ein bestimmtes Angebot bräuchten oder suchen, aber gar nicht davon wissen, dass es das gibt. “

Viele Angebote finden ihren Weg nicht in die communities. Hinzu kommt, dass es eine Vorprägung durch die Ankommensstrukturen gibt. Je nach Herkunft und persönlicher Situation erhalten Zugewanderte andere Aufenthaltstitel und damit unterschiedliche Rechte und Möglichkeiten. Was Zugewanderte dabei häufig in deutschen Büros kennenlernen sind Fristen, Verpflichtungen, Bescheide, alles fremdbestimmt und gesteuert. Diese Strukturen stellen die Menschen vor hohe verwaltungssprachliche Hürden, verpflichten sie zu Maßnahmen und Sprachkursen und ermöglichen oder verweigern abhängig vom Bleiberecht bestimmte Zugänge zu Bildung, Wohnen und Arbeit. Dadurch wird der Zwang zum Normalen.

Angebote, die zu Recht auf Freiwilligkeit und Selbstaktivierung setzen, sind oft nicht Teil dieser Logik. Partizipation wird dadurch erschwert.

Auch Herr Lanman Niese bemerkt an dieser Stelle, dass unsere Gesellschaft und unser System hohe Erwartungen an Zugewanderte stellt. Vor allem für zugewanderte Personen mit Mehrfachbelastungen wie Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder Alleinerziehende sind die Zugänge eingeschränkt.

„Also wir muten den Menschen immer. Oder vielen sehr viel zu. Gleichzeitig, wir haben sehr hohe Erwartungen und gleichzeitig bringen Menschen ja auch manchmal noch einen Rucksack mit eigenen Themen mit und Fragen der Familie, die gleichzeitig auch noch eine Rolle spielen. Das ist insbesondere bei Frauen mit Migrations Biographie häufig eine Frage. Oder erst einmal der Anspruch an, dass es allen anderen Mitgliedern gut geht und dass sie die sozusagen gut aufgehoben wissen. In der Schule, in der Kita, bei der Arbeit, bevor sie da eigene Erwartungen an den eigenen Weg stellen und entsprechende Angebote für sich wahrnehmen.“

Erfahrungen von Sprachlehrer*innen und Berater*innen zufolge erreichen Zuwanderte vor allem dann ihre Ziele, wenn sie Unterstützung durch engagierte Personen im alltäglichen Umfeld erfahren und Möglichkeiten des einfachen sprachlichen Austauschs nutzen: ein Gespräch an der Kasse, Nachbarschaftshilfe, Kleiderkreisel, zusammen essen…


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