Über albanische Geschichte


von Rahmet Yelken

Es ist doch verblüffend, dass die Albanerinnen unbehelligt von der europäischen Geschichtsschreibung zum ersten Mal im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt werden, und das, obwohl sie in unmittelbarer Nähe von Griechen und Römern lebten, die ja bekanntlich recht viel Schriftliches hinterlassen haben. Ihre Sprache gehört, wie die allermeisten europäischen Sprachen, zu der indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachfamilie. Innerhalb dieser steht Albanisch wie auch das Griechische isoliert da, es ist also weder eine romanische noch slawische Sprache. Lehnwörter aus dem Altgriechischen und Lateinischen lege nah, dass die Albanerinnen seit der Antike auf dem Balkan leben. Als ihre mögliche Vorfahren werden unter anderem die antiken Völker der Region Illyrer und Daker gehandelt. Es handelt sich bis jetzt aber nur um Hypothesen – sicher ist das nicht.

Nationalheld Skanderbeg strahlt für Kommunisten wie Demokraten

Ende des 14. Jahrhunderts geriet Albanien wieder unter die Herrschaft der Osmanen, allerdings erst, nachdem ihr Nationalheld Skanderbeg 24 Jahre lang erfolgreich Widerstand geleistet hatte. Skanderbeg war übrigens ein Janitschare: Diese waren vor allem Kinder christlicher Familien auf dem Balkan, die noch als Babys von den osmanischen Eroberern ihren Müttern entrissen und zu Kampfmaschinen herangezüchtet wurden. Skandarbeg schlug sich später wieder auf die Seite seines Volkes, sein Siegel bildet heute das albanische Nationalwappen: schwarzer Adler auf rotem Grund mit Skanderbegs goldener Kappe. Im mythischen Glanz des mittelalterlichen Kämpfers sonnte sich auch der kommunistischen Diktator Envar Hoxha, der einen regelrechten Skanderbeg-Kult betrieb und sich selbst in eine Linie mit dem Nationalhelden stellte.

Im Osmanischen Reich dann waren die albanischen Adligen recht gut integriert und es gab hochrangige albanischstämmige Beamte und sogar Wezire, quasi Ministerpräsidenten im osmanischen Reich.

Unter der Herrschaft der Osmanen konvertierte ein erheblicher Teil der albanischsprachigen Bevölkerung auf dem Balkan zum Islam. Ein Teil behielt allerdings seinen christlichen Glauben, römisch-katholisch und griechisch Orthodox, bei. Daneben gibt es noch, und das ist einmalig in der islamischen Welt, den Sufi-Orden der Bektaschiden. Er vertritt eine mystische Ausrichtung des Islam, in der Musik, Gesang und Tanz eine große Rolle spielen. Im Gegensatz zu vielen anderen islamischen Ländern, wo sie zu den Schiiten gezählt werden, sind die Bektaschiden in Albanien als eigene Religionsgemeinschaft anerkannt.

Albanien ist 1. atheistisches Land der Welt

Der Islam auf dem Balkan ist generell ein anderer als in vielen arabischen und nahöstlichen Staaten. Er wird in Albanien, wie uns Ermir berichtet, nämlich toleranter und offener gelebt. Zur Zeiten des Kommunismus verbot der Alleinherrscher Envar Hoxha jede Ausübung der Religion streng und erklärte Albanien in den 1960er Jahren zum ersten atheistischen Land der Welt.

Und doch, das gleiche kann ich auch von meinem kurdisch-türkischen Umfeld berichten, spielt in der Diaspora die Religion wieder eine wichtigere Rolle für die Albaner:innen. Die Außenwahrnehmung als Muslima und Muslime in Deutschland ist hierfür wohl nicht unerheblich, denn viele Albaner:innen erzählten mir einstimmig, dass ihre ethno-linguistische Identität in Albanien oder Kosovo ihnen viel wichtiger gewesen sei als ihre religiöse, die hierzulande oft in den Vordergrund gerückt wird.

Doch wir blicken nochmal zurück ins 19. Jahrhundert. Als das Osmanische Reich im Zerfall begriffen war, bildete sich ein Nationalbewusstsein unter den Albaner:innen heraus. Die sogenannte Rilindja, albanisch für Renaissance oder Wiedergeburt, führte dann letztlich im Jahre 1912 zur Proklamation des ersten albanischen Staates in Vlora.

Das Land kommt aber bis zum 2. WK nicht zur Ruhe. Nachdem nacheinander Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich das frisch unabhängige Albanien gleich wieder besetzt hatten, wird das Land 1939 vom faschistischen Italien und dann von NS Deutschland besetzt.

Der Diktator uns sein Bunker-Fetisch

Mit der Niederlage der Nazis übernehmen die Kommunisten unter der Führung von Enver Hoxha die Macht in Albanien. Hoxha regiert 42 Jahre lang, von 1943 bis zu seinem Tod 1985. Die Kommunisten errichten die Sozialistische Volksrepublik Albanien, die zunächst mit Jugoslawien, dann Sowjetunion und schließlich Mitte der 1960er mit China verbündet ist.

In Zeiten des Kalten Krieges bleibt Albanien als Teil des Warschauer Paktes weitgehend isoliert, denn Enver Hoxha ist ein exzentrischer und paranoider Herrscher, der sich in einem absurden Personenkult sonnte. Als dessen besondere Blüte überdauern noch heute die knapp 200.000 Bunker, die er im Land aus Angst vor feindlicher Übernahme hat errichten lassen. Man trifft die Betonhalbkugeln am Strand, auf Feldern, am Ortsrand, in den Bergen und auch mal bunt besprüht auf dem Spielplatz, gleich neben der Rutsche.

Ermir hat sich in seiner Videoarbeit “In Absentia” mit dem Ende von Hoxhas Personenkult beschäftigt.


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Über Albaner:innen in Deutschland