Über Phosphorabbau


Phosphor ist wichtig für das Wachstum von Pflanzen und Tieren. Ohne Phosphor und Stickstoff wächst nichts. Phosphor-Verbindungen sind am Aufbau und der Funktion aller Organismen zentral beteiligt, beispielsweise als Teil der DNA und bei der Energieversorgung der Zellen. Selbst unsere Knochen und Zähne enthalten Phosphor-Verbindungen. 1

„Eigentlich gibt es einen natürlichen Nährstoffkreislauf zwischen Boden, Pflanzen und Tieren zu denen wir auch die Menschen zählen können. Pflanzen nehmen das Phosphor aus dem Boden auf, geben es als Nahrung an Tiere und Menschen weiter, durch deren Ausscheidung gelangt es wieder in den Boden.“

sagt Axel Anlauf, der zum Thema Phosphatabbau am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena promoviert.

„Mit der Etablierung kapitalistischer Prinzipien in der europäischen Landwirtschaft ab dem 16. oder 17.Jahrhundert, spätestens aber mit der Urbanisierung im 19. Jahrhundert, wurde dieser Kreislauf unterbrochen. Denn die Nährstoffe im Essen der Menschen wurden nicht mehr in den landwirtschaftlich genutzten Boden zurückgeführt, sondern sammelten sich in Abwässern rund um die Städte an oder gelangten in Flüsse oder Meere. Statt einem Kreislauf von Nährstoffen, können wir also in der kapitalistischen Landwirtschaft von einem offenen Durchflusssystem sprechen, wobei der Verlust an Nährstoffen durch externe Ressourcen ausgeglichen wird.“

Die heutige Nutzung chemischer Düngemittel wurde im frühen 20.Jahrhundert durch die Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens geprägt, das es erlaubt aus fossilen Brennstoffen Stickstoffdünger herzustellen. Aber dieser Stickstoffdünger wirkt nur zusammen mit anderen Nährstoffen, wie Phosphor, wodurch auch die großflächige Nutzung von Phosphatgestein vor ca. 100 Jahren begann.

„Jährlich werden rund 220 Millionen Tonnen Rohphosphat weltweit abgebaut.“

erklärt Dr. Maximilian Hempel, Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zum heutigen Abbauvolumen von Phosphat.

Der ganz überwiegende Anteil davon geht anschließend in die Düngemittelindustrie.

Das Zentrum der Phosphatindustrie etablierte sich zunächst im Süden der USA, in Florida. Während sich in den USA aber zunehmend die Ressourcen erschöpfen und es vergleichbar strenge Umweltauflagen gibt, liegen die bedeutendsten Minen und Vorräte heute in Ländern des Globalen Südens, also dort wo die koloniale Vergangenheit starke Spuren hinterlassen hat. Marokko, Tunesien und andere Länder in Nordafrika und dem Nahen Osten, aber auch China. Während China Phosphat als strategische Ressource deklariert hat und den Rohstoff nicht mehr exportieren will, sind in den Ländern Nordafrikas Phosphatexporte eine wichtige Einkommensquelle, wie auch in Marwans Heimatregion, die von der Phosphatwirtschaft lebt. Doch mit dem Phosphatabbau kommen auch die Risiken für Mensch und Umwelt und es zeigt sich das globales Ungleichgewicht zwischen der Ressourcenverschwendung und günstigen Nahrungsmitteln im globalen Norden einerseits und den enormen Problemen in den Bereichen Bevölkerungs-, Arbeits- und Umweltschutz in den Abbauregionen andererseits.

„Der Phosphatabbau ist mit einem erheblichen Eingriff in die Natur verbunden, mit einem hohen Flächenverbrauch. Und für eine Tonne Rohphosphat muss man ungefähr 10 Tonnen des Phosphaterzes bewegen. Hinzu kommt ein erheblicher Wasserverbrauch und Emission von SO2 und von Staub, die in der näheren Umgebung der Aufbereitungsanlagen zu einem hohen Auftreten von gesundheitlichen Schäden führen.“ sagt Dr. Hempel von der Bundesstiftung Umwelt. Axel Anlauf konkretisiert die Belastungen für Mensch und Natur.

„Auch wenn Phosphat an sich kein giftiger Stoff ist, sondern notwendig für alles Leben, so ist er doch in hoher Konzentration extrem schädlich für Menschen und Ökosysteme. So klagen alle Menschen, die länger in Kontakt mit dem Stoff kommen über Hautreizung und Atemwegserkrankungen bis hin zu Lungenkrebs. Zudem führt ein erhöhtes Phosphoraufkommen besonders in Gewässern zu einem beschleunigten Artensterben, denn durch den zusätzlichen Nährstoff wachsen vermehrt Algen, die vielen anderen Lebewesen die Lebensgrundlage entziehen. So wurde z.B. Anfang April diesen Jahres in Florida der Umweltnotstand ausgerufen, weil in großen Mengen phosphatbelastetes Wasser aus einer alten Mine ausgetreten ist“

Axel Anlauf weisst außerdem auf die indirekten Auswirkungen des Phosphatabbaus auf den Klimawandel hin. Die industrielle Landwirtschaft, welche ohne Phosphat nicht solche Erträge erbringen könnte, mache einen Anteil von 20-30% am Klimawandel aus, welches sich am deutlichsten durch Treibhausgase zeige. Doch Lösungen oder zumindest Ansätze eines Umdenkens gäbe es, wie Dr. Hempel berichtet:

„Große Teile des Phosphors könnten eigentlich eingespart werden, weil in unseren Ausscheidungen und in den Ausscheidungen der Tiere ist sehr viel Phosphor wieder enthalten. Also man könnte es zurückgewinnen, und hier kommt jetzt die Politik ins Spiel. Die hat 2017 die Klärschlamm-Verordnung novelliert und sieht vor, dass spätestens 2029 die ganzen Kläranlagen, die eine gewisse Größe haben, Phosphor wieder zurückgewinnen.“

Axel Anlauf kritisiert rein technische Lösungen, die nur einen Teil des Phosphatbedarfs reduzieren und strukturelle Probleme außer Acht lassen. Er betont, dass ohne radikale Veränderungen keine Lösung des Dilemmas auf globaler Ebene und eine Entlastung für die betroffenen Menschen und Regionen erreicht werden kann. Er/Der Soziologe verweist auf weitergehende Lösungsansätze, wie agra-ökologische Anbautechniken, die natürliche Kreisläufe berücksichtigen, was zum Beispiel in Initiativen Solidarischer Landwirtschaft praktiziert wird.

Für solche Anbautechniken brachen wir also gar kein Phosphatgestein, kein Erdöl, kein Glyphosat und können dabei teilweise auf der selben Fläche mehr Ertrag erzielen. Was wir dafür brauchen, ist natürlich deutlich mehr menschliche Arbeitskraft als in der industriellen Landwirtschaft. Und genau dies widerspricht der kapitalistischen Rationalität, die darauf abzielt, die Arbeitsproduktiivität zu erhöhen. Also immer mit weniger Arbeitskraft, immer mehr zu produzieren. Und um davon wegzukommen und diesen Widerspruch aufzulösen ist, denke ich, ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel nötig.

Marwans Vater, der sein ganzes Berufsleben stolzer Arbeiter in der Phosphatmine war, erkrankte an Lungenkrebs und starb in diesem Jahr an einer Atemwegsinfektion. Er schrieb folgendes Gedicht:

Eine Szene aus dem dunklen Minenberg

Genosse, wir trugen die Botschaft eines Volkes,

Zwischen Traum und Schmerz

Wir trugen die Botschaft eines stolzen Volkes,

das Leben formt aus dem Nichts

Wir traten ein im dunklen Minenberg,

in einer Nacht, die sich auf ihn herabließ

Geschrumpfte Gesichter wie das Schicksal entschied,

Zitternde Körper vom Schmerz

Wir fragten und sie antworteten schreiend,

Wir kämpfen um ein Stück Brot, das wie das Leid schmeckt

Minenberg der Dunkelheit,

Minenberg des Sterben,

Keine Felder, keine Farmen,

Keine Werke, keine Fabriken,

Ihr Jugendlichen auf den Straßen,

Ihr Unschuldigen, ihr Fremden,

Hört eine Stimme, die sich im Berg erhebt,

Und denkt an ein Volk, das immer stolz bleibt

Ich existiere nicht, wenn ich Zuhause nicht in Würde lebe,

Ich existiere nicht, wenn ich meine Genossen und Freunde nicht habe,

Ich existiere nicht, wenn ich mein Zuhause nicht liebe


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